/ 5 min read

Mehrwertsteuersystem, MERCOSUR und der Zolltarif

Mehrwertsteuersystem, MERCOSUR und der Zolltarif
On this page
Contributors
Share this post

Die EU schlägt MwSt.-Änderungen für grenzüberschreitenden Handel vor. Mercosur-Abkommen senkt Zölle. EU aktualisiert Zolltarif im Juli 2019.

I. Das endgültige Mehrwertsteuersystem (MwSt-System) für den EU-Binnenmarkt nach den Vorstellungen der EU-Kommission

Bekanntlich haben die – seit Einführung des Binnenmarktes am 01.01.1993 geltenden – Regelungen zur Mehrwertbesteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten nur einen Übergangscharakter. Um diesen Zustand zu beenden, hat die EU-Kommission im Jahr 2016 in ihrem Aktionsplan zur Mehrwertsteuer angekündigt, Vorschläge für ein endgültiges MwSt-System für den innergemeinschaftlichen grenzüberschreitenden Handel zu unterbreiten, welches auf dem Grundsatz der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat beruht.

Ihrer Ankündigung folgend hat die EU-Kommission am 25.05.2018 einen Richtlinienvorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuer-System-Richtlinien (MwStSystRL) vorgelegt; diese Neubestimmungen sollen zum 01.07.2022 in Kraft treten.

Inhaltlich geht es darum, die geltenden Bestimmungen zur Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten (sogenannte Intra-Union-B2B-Warenlieferungen) durch endgültige Regelungen zu ersetzen, um das EU MwSt-System moderner, weniger betrugsanfällig und zusätzlich auch unternehmensfreundlicher auszugestalten.

Der Vorschlag der EU Kommission besteht aus einer Vielzahl an Kernelementen, so u.a. die Schaffung des Rechtsinstituts des zertifizierten Steuerpflichtigen „CTP“, One-Stop-Shop „OSS“ bis hin zum Wegfall der „ZM“-Meldung für  grenzüberschreitende Warenlieferungen innerhalb der Union.

Das Ausmaß der Änderungen wird vermutlich mehr als 200 Artikel der heute bestehenden MwStSystRL betreffen, so dass die Umsetzung in zwei Stufen erfolgen soll.

In der ersten Stufe sind die Vorschläge zur Änderung für das Besteuerungssystem der sogenannten Intra-Union-B2B-Lieferungen von Waren enthalten und in der zweiten Stufe die Vorschläge für die Besteuerung von Dienstleistungen.

Die erste Stufe wiederum ist in zwei Teilschritte unterteilt, wobei der erste Teilschritt Maßnahmen für ein einfacheres und betrugssicheres MwSt-System (die sogenannten „quick fixes“) und der zweite Teilschritt dann die detaillierten Vorschläge zur künftigen Besteuerung der Intra-Union-B2B-Lieferungen betrifft.

Der erste Teilschritt ist als Richtlinienvorschlag vom 04.10.2017 zu den „quick fixes“ vom EU-Rat durch die politische Einigung am 02.10.2018 abgesegnet worden, so dass die beschlossenen Maßnahmen bereits in folgender Form zum 01.01.2020 Eingang in die MwStSystRL finden werden:

  • erstmalige EU-einheitliche Regelung der Zuordnung der Warenbewegung in einem Reihengeschäft
  • erstmalige Aufnahme einer EU-einheitlichen Regelung für Konsignationslager (hier hat u. a. die Automobilwirtschaft erheblichen Druck gemacht)
  • die Aufzeichnung der USt-Identnummer des Abnehmers und die Abgabe einer zutreffenden Zusammenfassenden Meldung „ZM“ durch den Lieferer werden materiellrechtlich Voraussetzung der Steuerbefreiung.

Selbstverständlich werden sich die ab 01.01.2020 umzusetzenden Änderungen auf das Tagesgeschäft der Unternehmen auswirken, so u. a. auch auf die Nachweisführung für die Steuerbefreiung im innergemeinschaftlichen Warenverkehr.

Mit unserem Seminar zu den Neuerungen Zoll 2020 (www.silverport.de) werden Ihnen ausgewiesene Praktiker nicht nur die Neuerungen / Änderungen ab dem 01.01.2020 aufzeigen, sondern auch die Änderungen in einem Gesamtkontext darstellen. Selbstverständlich werden Ihnen unsere Referenten auch die zwischenzeitlich erfolgten Änderungen außerhalb der Umstellung des MwSt-Systems vorstellen, wie z. B. Briefkastenanschrift auf Rechnung, Vorlage der Rechnung bei Vorsteuerabzug oder auch Aufzeichnungen bei einer innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung im Anschluss an eine Einfuhr aus einem Drittland zum freien Verkehr (VC 42- Verfahren).

II. Neuerungen / Änderungen Zollpräferenz MERCOSUR

Die Zahl der Freihandelsabkommen FTA der Europäischen Union EU wächst weiter an; nach Kanada und Japan warten die Wirtschaftsbeteiligten auf Singapur, Vietnam und Indien. Nun wird auch der südamerikanische Raum hinzukommen.

Ende Juni 2019 haben sich in Brüssel die Europäische Union (EU) und der südamerikanische Wirtschaftsblock bestehend aus Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay – auch MERCOSUR (Mercado Común del Sur = Gemeinsamer Markt des Südens) genannt – auf ein umfassendes Abkommen zur Bildung der weltweit größten Freihandelszone (FTA = Free Trade Agreement) verständigt.

Damit konnten die bereits 1999 gestarteten Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden, wovon in diesem Wirtschaftsraum mehr als 776 Millionen Menschen profitieren werden. Der Handel zwischen der EU und den Mercosur-Staaten belief sich in 2018 auf rund 88 Milliarden Euro. Die Experten der EU gehen für die Unternehmen innerhalb der EU von ca. 4 Milliarden Euro Zolleinsparungen p. a. aus.

Für die EU bedeutet das Abkommen ein Wegfall von ca. 92 % der bisher aus dieser Region erhobenen Einfuhrzölle.

Die Mercosur-Länder werden beispielsweise hohe Zölle auf folgende gewerbliche Waren abschaffen:

  • Kraftfahrzeuge (derzeitiger Zollsatz 35 %)
  • Kraftfahrzeugteile (derzeitiger Zollsatz 14 bis 18 %)
  • Maschinen (derzeitiger Zollsatz 14 bis 20 %)
  • Chemikalien (derzeitiger Zollsatz bis zu 18 %)
  • Bekleidung (derzeitiger Zollsatz bis zu 35 %)
  • Arzneimittel (derzeitiger Zollsatz bis zu 14 %)
  • Lederschuhe (derzeitiger Zollsatz bis zu 35 %)
  • Textilien (derzeitiger Zollsatz bis zu 35 %)
  • Mit dem Abkommen werden auch die Zölle auf die EU-Ausfuhren folgender Lebensmittel und Getränke schrittweise wegfallen:
  • Wein (derzeitiger Zollsatz 27 %)
  • Schokolade (derzeitiger Zollsatz 20 %)
  • Whiskey und andere Spirituosen (derzeitiger Zollsatz 20 bis 35 %)
  • Kekse (derzeitiger Zollsatz 16 bis 18 %)
  • Pfirsiche in Dosen (derzeitiger Zollsatz 55 %)
  • Softdrinks (derzeitiger Zollsatz 20 bis 35 %)

III. Änderungen beim Zolltarif im Juli 2019

Mit Amtsblatt L 163 vom 20. Juni 2019 kam es zu nicht unerheblichen Änderungen in der EU-Zollnomenklatur auf Ebene der Kombinierten Nomenklatur KN und / oder des TARIC (= 10 Steller).

Die Gründe hierzu sind dem Amtsblatt im Vorspann unter „Erwägungen“ zu entnehmen, so u. a.

(1) Um eine ausreichende und kontinuierliche Versorgung mit bestimmten landwirtschaftlichen und gewerblichen Waren, die in der Union nicht verfügbar sind, zu gewährleisten und dadurch Marktstörungen bei diesen Waren zu vermeiden, wurden mit der Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 des Rates (1) die autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) für diese Waren ausgesetzt. Diese Waren können zu ermäßigten Zollsätzen oder zum Nullsatz in die Union eingeführt werden.

(2) 97 Waren, die nicht im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 aufgeführt sind, werden in der Union nicht oder in unzureichender Menge hergestellt. Es liegt daher im Interesse der Union, die autonomen Zollsätze des GZT für diese Waren vollständig auszusetzen.

(3) Die Bedingungen für die Aussetzung der autonomen Zollsätze des GZT für 47 Waren, die im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 1387/2013 aufgeführt sind, müssen geändert werden, um den technischen Entwicklungen der Waren und den wirtschaftlichen Markttendenzen Rechnung zu tragen.

Was ist zu tun?

Ihre Abteilung Nomenklatur, Anlage der Artikelnummer und Vergabe der Zollcodenummer muss sich die Anlage 1 dieser Verordnung vornehmen, um festzustellen, ob Sie von dem Wegfall bestimmter Zollcodenummern betroffen sind.

Wenn dem so wäre ist in einem weiteren Schritt festzustellen, ob Sie zu der entfallenen Zollcodenummer über Verbindliche Zolltarifauskünfte verfügen, welche dann automatisch ungültig sind / werden.

Ihre Abteilung Einkauf hat als Hausaufgabe den Anhang 2 zu prüfen und zu bearbeiten, um bei zugekaufter Ware festzustellen, ob sich solche auch in diesem Anhang befinden. Für diese im Anhang 2 genannten Waren ist über einen längeren Zeitraum als tarifliche Sondermaßnahme kein oder ein reduzierter Zoll zu zahlen ist. Fazit: in dieser Liste kann also „Geld stecken“ selbst dann, wenn nicht Sie selbst sondern Ihr Lieferant diese Ware importiert.

Der entfallene Zoll ist auf den Verwender umzulegen (Erwägungsgründe der Zollaussetzung)

Diese Änderungen gelten ab dem 01. Juli 2019

Selbst wenn Sie eine der Zollbefreiungen /- ermäßigungen nicht nutzen können, haben Sie noch die Möglichkeit feststellen zulassen, ob Sie nicht selbst im Betrieb eine der in der Verordnung genannten Ware selbst herstellen könnten (Vorlage der Liste bei der Arbeitsvorbereitung und Konstruktion).

Dann müssten Sie sich an das zuständige Bundesministerium wenden.

Zum Schluss noch der Hinweis: Seit dieser Woche sind die Termine der Seminarreihe Neuerungen Zoll 2020 auf unserer Website zu finden. Eine Anmeldung ist möglich und wird schon rege genutzt – vielen Dank dafür!

Die Termine finden Sie unter:

https://www.silverport.de/seminare-silverport/neuerungen-zoll-und-aussenhandel-2020

Related Posts